„Luxus liegt im Auge des Betrachters“ könnte man in Anlehnung an einen berühmten Ausspruch des griechischen Philosophen Thukydides sagen. Denn was genau Luxus ist, bestimmt jeder für sich selbst. Geht es nach dem Koch Norbert Niederkofler, Träger von drei Michelin-Sternen und einem grünen Stern für Nachhaltigkeit, liegt – was den kulinarischen Genuss betrifft – der wahre Luxus im Einfachen. Der Südtiroler gilt als Pionier der Alpinen Bergküche und war beim diesjährigen Feldgespräch am Stiegl-Gut Wildshut zu Gast. Mit den Initiatoren der Plattform „Bauer to the people“, Bianca Blasl und Wilhelm Geiger, sowie dem Salzburger Erzabt Dr. Korbinian Birnbacher philosophierte Niederkofler über Genuss und Verzicht, Qualität und Herkunft sowie die (Un-)Sichtbarkeit der Menschen, die hinter unseren Lebensmitteln stehen.
Radikale Regionalität, der Luxus des Einfachen sowie der bewusste Umgang mit den Ressourcen seien die Grundlage für Genuss. Diese Meinung vertritt der vielfach ausgezeichnete Südtiroler Koch Norbert Niederkofler. Er war viele Jahre in den Küchen der internationalen, gehobenen Gastronomie zuhause – sammelte Erfahrungen in London Zürich, Mailand, München und New York – bevor es ihn zurück zu seinen Südtiroler Wurzeln zog. In St. Kassian, einem kleinen Südtiroler Bergdorf, kochte er sich im Restaurant St. Hubertus (Rosa Alpina Hotel) an die Weltspitze. Seine Heimat, die Berge, die dortige Natur und ihre Wunder sind sein ganz persönliches Küchenkonzept und brachten ihm 2017 den dritten Stern ein. Seine Küche steht in perfektem Einklang mit dem Rhythmus der Natur, mit der Umwelt und deren Bewohnern.
2022 erreichte er mit dem St. Hubertus im „The World‘s 50 best Restaurants“-Ranking den 29. Platz.
Leicht war dieser Weg allerdings nicht. Denn bis die Auszeichnungen kamen und sich Ruhm einstellte, erntete Niederkofler viel Unverständnis für sein Konzept der radikalen Regionalität. „Ich war einfach der Meinung, dass Haute Cuisine in einem kleinen Südtiroler Bergdorf anders aussehen muss als anderswo. Und so habe ich auch meine Gäste mit diesem Thema konfrontiert, um herauszufinden, was das Genusserlebnis in meinem Restaurant unverwechselbar und einzigartig machen könnte“, erklärt Niederkofler. Nachhaltigkeit und Regionalität zählen zu seinen höchsten Prinzipien, mit denen er ein unverwechselbares und einzigartiges Genusserlebnis umsetzte und zum Pionier der Alpinen Gourmetküche wurde.
„Cook the Mountain“ – Alpine Gourmetküche
Für sein Konzept „Cook the Mountain“ hat sich Niederkofler vollständig von nicht-regionalen Zutaten wie zum Beispiel Gänseleber und importiertem Fisch verabschiedet und selbst Produkte wie Olivenöl und Zitrusfrüchte aus seiner Küche verbannt. Dem Südtiroler geht es vor allem um den Respekt vor der Natur, die Erhaltung von Kultur und Tradition sowie die Zusammenarbeit mit den Bauern. Diese sieht er als seine Mitarbeiter:innen an. „Sie sind die Garanten für eine nachhaltige Bewirtschaftung unseres Landes, die Hüter und Pfleger unserer Natur. Ihrer Erfahrung und ihrem Wissen verdanken wir erstklassige, naturnahe Rohstoffe“, betont Niederkofler und ergänzt: „Daher beziehe ich meine Lebensmittel von kleinen, lokalen Erzeugern, die täglich ihr Bestes geben, um ihre Produkte im Einklang mit der Natur und Umwelt herzustellen.“ In seiner Küche berücksichtigt der Spitzenkoch den natürlichen Kreislauf der Natur. Um auch im Winter aus dem Vollen schöpfen zu können, setzt er auf altbewährte Techniken zum Haltbarmachen von Lebensmitteln, wie beispielsweise Fermentieren, Pulverisieren und Einlegen. Im AlpiNN, dem “Zuhause von Cook the Mountain”, ist es der ausführende Chefkoch Fabio Curreli, der der authentischen Bergküche auf Basis der Prinzipien von Norbert Niederkoflers Philosophie Leben einhaucht. Zum Feldgespräch brachte er sein Berg-Ceviche mit.
Dating-Plattform für Produzent:innen & Konsument:innen
Um den Blick hinter die Kulissen zu den Lebensmittelproduzenten geht es auch den Gründern von „Bauer to the People“, Bianca Blasl und Wilhelm Geiger. Mit ihrer Plattform wollen die beiden zum Nachdenken über Essen, Menschen und Landwirtschaft anregen und die Menschen einander wieder näherbringen.
„‘Bauer to the People‘ ist quasi eine Dating-Plattform, um die Hintergründe, Beweggründe sowie die Lebensrealitäten jener Menschen, die unser Essen machen, kennenzulernen“, sagen die beiden mit einem Augenzwinkern. Der Weg vom Feld bis auf den Teller sei mittlerweile weit und komplex und für viele nicht mehr nachvollziehbar. „Die meisten Menschen stehen heute vor dem Supermarktregal und assoziieren das Schnitzel nicht mit dem Schwein, die Tomate nicht mit dem Glashaus, den Käse nicht mit der Kuh. Uns sind die Berührungspunkte abhandengekommen, wir reden nicht mehr miteinander. Das wollen wir ändern“, erklären Blasl und Geiger ihre Motivation, die Menschen hinter den Lebensmitteln sichtbar zu machen.
Reise zum Ursprung des Essens
Für Bianca Blasl steht die Liebe zum Essen im Fokus ihrer Tätigkeit – diese war auch der Grund für ihr Landwirtschaftsstudium. Als Autorin, Bloggerin, Journalistin sowie Kommunikationsberaterin im Bereich Landwirtschaft und Kulinarik will die Wienerin genau wissen, woher das Essen kommt. Seit zwei Jahren zieht sie daher mit ihrem Feuerwehrauto „Roter Blitz“ durch Österreich von Bauernhof zu Bauernhof und lädt
in ihrem Blog „melange.in.gummistiefeln“ Interessierte ein, an dieser Reise teilzunehmen. „Ich will mit meinen Geschichten eine Brücke bauen zwischen den Menschen und der Landwirtschaft – also zwischen den Menschen, die Lebensmittel konsumieren und den Menschen, die hinter den Produkten stehen – die Bäuerinnen und Bauern“, betont Bianca Blasl.
Bei einer dieser Touren haben sich die Wege von Bianca Blasl und dem gebürtigen Salzburger Willy Geiger gekreuzt. Der gelernte Koch und Sozio-Ökonom beschäftigt sich intensiv mit der Frage, warum die Gesellschaft ist, wie sie ist und sich die Menschen verhalten, wie sie sich verhalten – im Allgemeinen, aber im Besonderen beim Essen und Konsumieren. Für ihn greift die Argumentation zu kurz, dass Konsument:innen es mit ihrer Kaufentscheidung selbst in der Hand hätten, Dinge zu ändern: „Was als scheinbares Empowerment daherkommt, ist – dreht man die Medaille um – nichts anderes als eine Schuldzuweisung. Einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge haben noch nie zu nachhaltigen Lösungen geführt“, sagt Geiger. Wer vorschnell urteile, höre zu früh zum Denken auf. Das wisse er auch aus eigener Erfahrung.
Genuss bedingt Verzicht
Für Erzabt Dr. Korbinian Birnbacher von der Erzabtei Stift „St.Peter“ geht es beim Essen – wie in vielen anderen Lebensbereichen – um die Verhältnismäßigkeit. „Damit die Freude am Genuss nicht verloren geht, braucht es den bewussten Verzicht und auch Zeiten, in denen man ohne Genuss auskommt. Denn durch das Fasten werden wir sensibler“, betont Birnbacher. Aus benediktinischer Sicht müsse daher die Frage nach dem rechten Maß und der Verantwortung jedes Einzelnen gestellt werden.
Genuss an sich als moralisch verwerflich zu stilisieren, dem kann Birnbacher nichts abgewinnen: „Man soll sich durchaus an Gottes Gaben erfreuen, aber eben nicht im Überfluss.“ Wir Menschen müssten wieder akzeptieren, dass nicht alles jederzeit kauf- und konsumierbar sei, und den Produkten wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen. „Es gibt eine natürliche Limitierung beim Essen – unter anderem bedingt durch die Jahreszeiten – diese sollten wir wieder respektieren und nicht als Verlust, sondern als Genussmaximierung begreifen“, betont Erzabt Birnbacher.
Zu den Besitztümern des Salzburger Benediktinerordens zählen neben Waldflächen auch Acker-, Wiesen- und Almgrundstücke. Derzeit werden vier Gutsbetriebe und zwei Almen selber bewirtschaftet und der Orden agiert als Selbstversorger. Darüber hinaus werden die Produkte der Gutsbetriebe an regionale Abnehmer vermarktet und dadurch werden lange Tier- oder Produkttransporte ausgeschlossen. Die Stiftsbäckerei St. Peter steht für mehr als 700 Jahre Bäckerhandwerk in der Salzburger Altstadt. Authentizität und Langfristigkeit sind die zentralen Kriterien des Betriebs. Das Roggenmehl kommt aus der hauseigenen Steinmühle, Weizenmehl aus der Stifts- und Salzachmühle, Holz aus den Wäldern des Stifts St. Peter und Energie aus dem Almkanal. „Der gesamte Produktionsprozess findet vor Ort statt. Verkaufslokal und Backstube sind eins. Das heißt, man sieht, was man isst“, erklärt Birnbacher.
Stiegl-Gut Wildshut
Seit jeher steht am Stiegl-Gut Wildshut in St. Pantaleon das Besinnen auf das Einfache im Fokus aller Begeisterung. Es ist ein besonderer Ort des Ausgleichs, des Wissens und der Achtsamkeit. Hier hat die Stiegl-Eigentümerfamilie Kiener einen Kraftplatz zum Innehalten und Natur Erleben geschaffen. Nach den Maximen von „Wabi Sabi“ lädt man die BesucherInnen dazu ein, die kleinen Dinge des alltäglichen Lebens neu zu entdecken und das leicht zu Übersehende in der Natur wahrzunehmen. Regelmäßig bittet die Eigentümerfamilie darüber hinaus zu den „Wildshut Feldgesprächen“. Dabei diskutieren hochkarätige Gäste aus unterschiedlichen Bereichen aktuelle Entwicklungen – geerdet, faktenreich, spannend und unterhaltsam, konstruktiv und kontrovers.